Erstellt: Donnerstag, 02. Januar 2020 Veröffentlicht: Mittwoch, 05. Oktober 2011 Geschrieben von Wilfried S. Bienek

Kevin Brooks

iBoy

München 2011, dtv
Deutsch von Uwe-Michael Gutzschhahn

 

Nur für I-Männchen?

Für Jugendliche ab 14 Jahren und € 13,90 hat dtv einen auf  300 Seiten verteilten Roman herausgegeben. Er bereitet für das schöne Leben mit einem i-Phone vor. Nie las ich eine besser getarnte Werbung für Apple-Gadgets. Sogar das Datenblatt jenes überschätzten und überbezahlten Smartphones ist abgedruckt auf über zwei Seiten. Das Wunderding beginnt Wunder zu wirken, als der 16-jährige Tom aus der 30. Etage mit ihm beworfen wird. Schon verschmelzen Nano-Fragmente des Geräts mit seinem Hirn. Das erweitert dessen Fähigkeiten ungemein. Er wird zu "iBoy". Von nun an hat er das Internet im Kopf und besitzt Superkräfte. Und die braucht er auch. Denn eine Gang hat seine Freundin Lucy vergewaltigt. Und das schreit nach Rache. Denn: Selbst ist der Justizler!

Natürlich schnallt Lucy nicht, dass der sanfte Tom der harte iBoy ist. Der im Dunkeln leuchtet wie ein i-Phone-Display und seine Muskel-Apps spielen lässt. Es ist die alte Geschichte von Superman und Lois Lane. Der Clark Kent in Tom wird sichtbar, doch Lucy alias Lois ist längst nicht so smart wie diese, auch wenn ihr Freund ein lebendes Smartphone ist. Erst zuletzt erkennt sie die Wahrheit, als im Showdown…. genug jetzt! Jungen, die außer dem iPhone nichts im Kopf haben, kann alles passieren.

Vor mehr als zehn Jahren entwickelte ein Freund und Kollege der Werbeagentur „Dynamo München“ ein TV-Format namens „Sankt Blaubach“. Es sollte so viel Product-Placement enthalten, wie sich nur einbauen ließ. Ich hatte die Ehre, drei Folgen mit zu entwickeln. Leider ist es bis heute noch nicht  realisiert.  Dem Buch „iBoy“ gebührt die Ehre, in ähnlichem Sinne vorgegangen zu sein, freilich nur für ein einziges Produkt. Als Werbung für Apples i-Phone oder „i-Welt“ profitiert es überdies selbst von Apples Lifestyle-Image, eine klare win-win-Situation.

Dass "iBoy" auch noch für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2012 nominiert wurde und es überdies im Oktober 2011 auf die Liste "Die besten 7 Bücher für junge Leser" geschafft hat, zeigt nur, was diese Auszeichnungen aktuell bedeuten. Sie stehen nicht für Qualität, sondern dafür, dass ein großer Verlag ein mächtiges Marketinginstrument effektiv genutzt hat.

Eine Serie dieser Bücher darf befürchtet werden. Wird in „iBoy 2“ Tom seiner Lucy im Streit ein "iPhone 10" an den Kopf werfen, und sie sieht in Zukunft die Welt durch ein Retina-Display? Werden er und Lucy zusammenziehen und ein Kind bekommen, das Teile des neuen 7-Zoll-iPad enthält und elektrische Schläge an Windows-User verteilt?

Und damit nicht genug: Den Erfolg von „iBoy“ werden weniger glückliche Smartphone-Produzenten kopieren wollen. Zu befürchten sind Bücher wie „samsung galaxy-Girl“ und „nokia-Baby“  oder „The HTC Monster“. Gesponsert von O 2 oder O tu nix.

Gelobt seien die Zeiten von „E.T.“. Der wollte nur nach Hause telefonieren!